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27. Oktober 2008
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Aktuelle Finanzsituation: Regierungsrat will Neuverschuldung verhindern und setzt für 2008 ein ausserordentliches steuerpolitisches Signal

Wegen der möglichen Folgen der Finanzmarktkrise hat der Regierungsrat des Kantons Bern die finanz- und steuerpolitische Planung für die Jahre 2009–2012 neu beurteilt. Er hat für den Budgetvollzug 2009 eine Eventualplanung eingeleitet. Aufgrund der Situation im Oktober rechnet die Regierung mit einer Abschwächung der Konjunktur. Die für das laufende Jahr erwarteten hohen Ertragsüberschüsse lassen hingegen zwei vertrauensbildende Massnahmen zu: Die Regierung beantragt dem Grossen Rat für 2008 einen einmaligen generellen Steuerrabatt und eine rückwirkende Lohnerhöhung für das Kantonspersonal. Damit wird erreicht, dass die Steuerzahler am Ertragsüberschuss teilhaben und die Kaufkraft der Kantonsangestellten erhalten bleibt. Die Kantonsregierung lehnt hingegen die beiden parlamentarischen Vorstösse für Steuersenkungen in den Jahren 2009 und 2010 ab, da der damit verbundene Ertragsausfall nicht finanziert ist und die Regierung die Gefahr einer Neuverschuldung nicht zusätzlich erhöhen will. Der Kanton wird vielmehr im ersten Halbjahr 2009 die Vorlage für eine Steuergesetzrevision 2011 mit gezielten Entlastungen in die Vernehmlassung schicken.

Mit der Analyse der Finanz- und der Volkswirtschaftsdirektionüber die Auswirkungen der Finanzmarktkrise auf den Kanton Bern hat sich der Regierungsrat des Kantons Bern eine ersteÜbersichtüber die möglichen Folgen der aktuellen Entwicklung verschafft. Im Vordergrund stand die Frage, inwieweit sich die Finanzmarktkrise und die drohende Abschwächung der Konjunktur auf die Wirtschaft sowie die kantonale Finanzplanung auswirken.

Die Analyse des Regierungsrats umfasste folgende vier Teilgebiete:
Konjunktur und Wirtschaft:Sämtliche vom Kanton Bern konsultierten Konjunkturforschungsstellen haben die Wachstumsprognosen für das kommende Jahr im Vergleich zum Juli dieses Jahres reduziert und gehen derzeit für 2009 von einem realen Wachstum zwischen 0,2 und 1,3 % aus. Aufgrund der Rückmeldungen aus Fachkreisen sind in der Berner Wirtschaft erste Zeichen der konjunkturellen Abschwächung spürbar. Diese werden mit wenigen Ausnahmen als nicht gravierend bezeichnet, auch wenn der immer stärkere Franken den Export weiter erschwert. Die Berner Banken bezeichnen ihre eigene Situation als solide. Generell ist es noch zu früh, um die Auswirkungen verlässlich zu beurteilen. Es ist aber mit einem leichten Anstieg der Arbeitslosigkeit zu rechnen. Aufgrund der Berner Wirtschaftstruktur geht die Regierung von einem abgeschwächten Wachstum aus. Ein eigentlicher Konjunktureinbruch ist gemäss heutigem Stand jedoch nicht zu erwarten, kann aber nicht mehr ausgeschlossen werden. Der Kanton Bern wird mit den im Budget vorgesehenen höheren Nettoinvestitionen in den Hochwasserschutz, denöffentlichen Verkehr und den Strassenbau die Konjunktur unterstützen. Er erwartet, dass der Bund seine Beiträge für die gemeinsam mit dem Kanton finanzierten Projekte ebenfalls in geplantem Umfang und zum vorgesehenen Zeitpunkt zur Verfügung stellt.

Pensionskassen:Die Kurseinbrüche auf den internationalen Finanzmärkten haben sich unmittelbar auf den Deckungsgrad der Pensionskassen ausgewirkt. Der Regierungsrat geht davon aus, dass sich die finanzielle Situation der Bernischen Pensionskasse mit dem Steigen der Kurse der an der Börse kotierten Wertpapiere wieder verbessern wird und die momentan geringe Unterdeckung somit vorübergehend ist. Die aktuellen Verwerfungen auf den Finanzmärkten verzögern allerdings die Sanierung der Bernischen Lehrerversicherungskasse. Der Regierungsrat plant zum heutigen Zeitpunkt keine Sofortmassnahmen bei den beiden Kassen.

Zinsen:Aufgrund der nach wie vor hohen Schuldenlast des Kantons ist die Zinsentwicklung von grosser Bedeutung. So hat der Kanton für das kommende Jahr CHF 184 Mio. für den  Zinsaufwand budgetiert. Die Zinsentwicklung lässt sich im Moment nicht klar abschätzen, auch wenn der Trend im Moment eher nach unten zeigt. Die gute Schuldnerqualität des Kantons sollte gute Abschlüsse ermöglichen. Nach Auffassung der Regierung lässt sich die Entwicklung heute aber zuwenig genau abschätzen, um den budgetierten Zinssatz im Budget 2009 und im Aufgaben- und Finanzplan 2010–2012 anzupassen.

Steuerertragsprognosen:
Die Veränderungen auf den Finanzmärkten und das damit verbundene tiefere Wachstum des Bruttoinlandprodukts könnten sich gegenüber dem vom Regierungsrat verabschiedeten Budget vom August 2008 mit einem Minderertrag von bis zu CHF 85 Mio. bereits auf die budgetierten Steuereinnahmen für das Jahr 2009 auswirken. Derzeit geht die die Regierung davon aus, dass die Mindererträge gegenüber der Planung bis auf CHF 334 Mio. pro Jahr (2011) ansteigen könnten. Ein solches Szenario hätte zur Folge, dass sich der Kanton in den Jahren 2009–2012 insgesamt um rund CHF 400 Mio. zusätzlich verschulden würde. Die Planung vom vergangenen August ging noch von einem Schuldenabbau von rund CHF 500 Mio. in diesem Planungszeitraum aus. Bei den neuen Prognosen handelt es sich allerdings um eine Momentaufnahme, welche aufgrund der Finanzmarktkrise auch die verminderten Wertschriftenvermögen und -erträge per Mitte Oktober widerspiegelt.

Da– wie die letzten Wochen zeigen– rasch grosse Schwankungen nicht nur nach unten, sondern auch nach oben eintreten können, hat der Regierungsrat beschlossen, das Ende August 2008 verabschiedete Budget 2009 zum jetzigen Zeitpunkt nicht anzupassen. Die Regierung will sich jedoch auf die Situation vorbereiten, dass sich die Steuerertragsausfälle bestätigen könnten und diese ab dem Jahr 2009 ganz oder teilweise aufgefangen werden müssten. Deshalb hat sie die Finanzdirektion beauftragt, in enger Zusammenarbeit mit den anderen Direktionen eine Eventualplanung für den Budgetvollzug 2009 vorzubereiten. Falls nötig soll diese es Anfang 2009 ermöglichen, den Budgetvollzug rasch auf die aktuelle Lage auf den Finanzmärkten und die Konjunkturlage abzustimmen.

Das am Donnerstag, 16. Oktober 2008 vom Bund verabschiedete Massnahmenpaket zur Stützung des Finanzmarktes in der Schweiz wird durch die Konferenz der kantonalen Finanzdirektorinnen und Finanzdirektoren unterstützt. Nach einer ersten Einschätzung des Regierungsrates hat das Massnahmenpaket des Bundes im Moment keine Auswirkungen auf den Kanton Bern. Der Regierungsrat ist sich aber der Risiken des Massnahmenpakets für den Bund und indirekt damit auch für die Kantone bewusst.

Unverändert bleibt vorerst auch die Finanzplanung 2010–2012, weil diese Zahlen eng mit der konjunkturellen Entwicklung verknüpft sind. Da die Auswirkungen der Finanzkrise auf die Konjunktur heute noch nicht zuverlässig beurteilt werden können, will der Regierungsrat mit demÜberarbeiten der Mittelfristplanung noch zuwarten. Er wird diese aber in jedem Fall im kommenden Frühjahr an die Hand nehmen.

Regierung will noch dieses Jahr ein Zeichen für Steuerzahler und Personal setzen
Laut der Ende August präsentierten Hochrechnung wird der Kanton Bern mit einemÜberschuss von CHF 400 Mio. deutlich besser abschliessen als der budgetierteÜberschuss von CHF 100 Mio. Auch für den Schuldenabbau werden deutlich mehr Mittel zur Verfügung stehen. Die Auswirkungen der Finanzmarktkrise werden sich erst ab 2009 negativ auf die Steuererträge auswirken. Der Regierungsrat schlägt dem Grossen Rat deshalb in der Novembersession vor, wie er den 2008 sich abzeichnenden zusätzlichen finanziellen Handlungsspielraum im Sinne einer gezielten, einmaligen Aktion nutzen möchte. Er beantragt dem Grossen Rat im Sinne einer Wiedererwägung, die von ihm im November 2007 mit dem Budget 2008 beschlossene Steueranlage für das laufende Jahr um 0,10 Einheiten zu reduzieren. Diese Steuersenkung wäre auf das laufende Jahr befristet und würde die bernischen Steuerzahler um rund CHF 140 Mio. entlasten. Diese Mittel würden den privaten Haushalten und den Unternehmen so erhalten bleiben. Dies ist gerade in der heute schwierigen wirtschaftspolitischen Ausgangslage ein wichtiges Zeichen.

Der Regierungsrat hat bereits darauf hingewiesen, dass das Lohnsummenwachstum des Staatspersonals mit der aktuellen Teuerung nicht Schritt halten kann. Aus diesem Grund hat der Regierungsrat beschlossen, noch im laufenden Jahr für das Personal eine Lohnerhöhung von 0,5 Prozent vorzusehen– und zwar rückwirkend auf den 1. Juli 2008. Diese Massnahme führt im laufenden Jahr zu Zusatzkosten von knapp CHF 30 Mio. und soll mithelfen, dass dem Personal die Kaufkraft erhalten werden kann. Wenn der Grosse Rat dem Antrag des Regierungsrats zustimmt, wird der Betrag voraussichtlich im Januar 2009 ausbezahlt. 

Die beiden zusätzlichen Massnahmen belasten die Rechnung 2008 mit rund CHF 170 Mio. Dennoch ist nach heutiger Einschätzung das Schuldenabbauziel des Regierungsrates nicht gefährdet: Der Finanzierungssaldo liegt mit CHF 180 Mio. immer noch deutlichüber dem Zielwert von CHF 100 Mio.

Steuersenkung 2011– Gesetzesrevision wird vorbereitet
Der Regierungsrat erachtet es als sehr wichtig, die steuerpolitische Wettbewerbssituation des Kantons Bern zu verbessern. Doch die auf der Basis der guten Rechnungsabschlüsse der letzten Jahre eingereichten Vorstösse für einen Steuerrabatt 2009 (Motion Brand) und für die Senkung der Steueranlage ab 2010 (Auftrag Kohler) stehen aus Sicht der Regierung im Widerspruch zu den aktuellen Konjunkturaussichten. Der Regierungsrat lehnt die beiden nicht finanzierten parlamentarischen Vorstösse ab, da sie den Staatshaushalt bei unsicheren Konjunkturaussichten zusätzlich ganz erheblich belasten und den Kanton zurück in die Schuldenwirtschaft drücken könnten. Bei Annahme der eingereichten Vorstösse unter der gegebenen neuen finanzpolitischen Ausgangslage würden die Schulden des Kantons Bern in den nächsten vier Jahren um insgesamt knapp CHF 1 Milliarde ansteigen (basierend auf den aktualisierten Steuerertragsprognosen Mitte Oktober 2008). Damit würden die Vorgaben der im Februar 2008 vom Berner Volk beschlossen Schuldenbremse für die Investitionsrechnung auch ohne die erheblich verschlechterten konjunkturellen Aussichten bereits im ersten Jahr ihrer Anwendung verletzt. Dies ist für den Regierungsrat ein inakzeptables Szenarium.

Beim Auftrag Kohler, welcher eine Anlagesenkung für das Jahr 2010 beantragt, ist der Regierungsrat bereit, dem Parlament im Planungsprozess 2010 bis 2013 Handlungsmöglichkeiten und die finanziellen Konsequenzen aufzuzeigen, um einen definitiven Entscheid im November 2009 zu ermöglichen.

Dass im Kanton Bern bei den Steuern Handlungsbedarf besteht, ist für die Regierung unbestritten. Sie plant, im ersten Halbjahr 2009 eine Steuergesetzesrevision per 2011 in die Vernehmlassung zu geben. Die gezielte, nicht nach dem Giesskannenprinzip konzipierte Revision soll unter anderem die kalte Progression ausgleichen, das Existenzminimum von Steuern teilweise befreien, den Beteilungsabzug lockern sowie die Besteuerung von Liquidationsgewinnen mildern. Allerdings ist diese Gesetzesrevision immer unter dem Vorbehalt der weiteren Entwicklung der Konjunktur voranzutreiben.

Mit den heute bekannt gegebenen Entscheiden bekräftigt der Regierungsrat seine bisherige stabile und verlässliche Finanzpolitik und setzt in Zeiten der Verunsicherung ein finanzpolitisches Signal, indem er die Finanzkraft der Steuerzahler und des Staatspersonals stärkt.


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